Winterreihe
Was geschieht, wenn sich vier Autorinnen treffen, die die Leidenschaft fürs Schreiben und Reisen miteinander teilen? Sie planen eine gemeinsame Buchserie!
Über die Charaktere waren wir uns schnell einig, die Ideen für spannende Geschichten wurden geboren. Es fehlte nur noch der Schauplatz: Eine Nordseeinsel sollte es sein.
Schnell war uns klar, dass eine gemeinsame Reihe besondere örtliche Gegebenheiten braucht – und so erschufen wir „Nortrum“, eine Insel, auf der wir alles fanden, was wir für unsere jeweiligen Geschichten brauchten: Reetgedeckte Häuser, einen Hafen, ein Dorf, einen Surfstrand, Dünen, einen Leuchtturm und jede Menge skurrile Charaktere.
Wir hoffen, dass dir unsere Serie gefällt. Dass du lachen musst und berührt sein wirst, dass du mitfieberst und miträtselst, wohin das alles führen wird.
Jede Geschichte ist ein in sich abgeschlossener Roman, aber es erhöht das Lesevergnügen, wenn du mit dem ersten Teil beginnst.
Nimm also Platz, schnall dich an und lassen dich von unseren Geschichten nach Nortrum entführen, eine Insel, wie wir sie uns erträumt haben.
Deine
Karin Lindberg, Karin Koenicke und Lotte Römer
Winterfunkelnd verliebt

Winterfunkelnd verliebt

Ist es schlau, mit einem Mann den Club „Singles forever“ zu gründen – und dich dann in ihn zu verlieben?

Veronika ist reif für die Insel. Nach einer schmerzhaften Trennung sehnt sie sich nach ruhigen Tagen auf Nortrum. Doch aus der Ruhe wird nichts, weil sie von nebenan ständig mit Klavierlärm beschallt wird. Eines Nachts wird es ihr zu bunt, sie trommelt gegen die Tür – und trifft auf Timo. Der verschlossene Komponist steckt tief in einer Schaffenskrise. Da Veronika ein großes Herz und dringenden Schlafbedarf hat, beschließt sie, Timo aus seinem Tief herauszuhelfen. Weil auch Timo der Liebe abgeschworen hat, hält Veronika gemeinsame Ausflüge für ungefährlich und gründet mit ihm sogar einen Singleclub.
Doch der glitzernde Inselschnee und Timos Musik berühren ihr Herz tiefer, als ihr lieb ist. Nur dumm, dass Timo immer wieder betont, wie toll ihre platonische Freundschaft ist.
Trifft die Liebe am Ende doch noch den richtigen Ton?

Alle Bände der Reihe Inselküsse & Strandkorbglück sind in sich abgeschlossen.

Ab 24.11.2024 in allen Shops erhältlich als eBook, Taschenbuch und Hörbuch!

 

Leseprobe:

 

3. Ankunft auf Nortrum

Auch wenn ich schlotterte wie verrückt, musste ich auf der Fähre nach draußen gehen und meine Nase in den Nordseewind halten. Wie herrlich das roch! Völlig anders als die Luft in München. Nach rauer See und Salz und Abenteuer.
„Nach völlig ärgerfreien und männerfreien Tagen auf der Insel“, murmelte ich vor mich hin und konnte es kaum erwarten.
Heute war der erste Januar. Und dieses Datum markierte nicht nur den Start in ein neues Jahr, sondern auch in einen neuen, deutlich entspannteren Lebensabschnitt. Besser als auf einer Insel konnte man beides nicht starten.
Da Nortrum autofrei war, hatte ich meine Rostlaube auf dem Festland abgestellt und mein Gepäck zur Fähre geschleppt. Das war der einzige Nachteil eines Winterurlaubs: Man musste eine Menge warmer Klamotten einpacken. Und in meinem Fall auch noch die Handpan in einem Case mitschleifen, allerdings hatte ich nicht zur allergrößten gegriffen. Aber Emma hatte mir versprochen, mich am Hafen abzuholen.
„Schau einfach, ob ein Pferdefuhrwerk angetrabt kommt“, hatte sie gesagt. „Das bin dann ich. Hier gehen die Uhren noch etwas anders, du wirst dich wundern.“
Ich hatte daraufhin wissen wollen, ob es auf Nortrum denn Strom und fließendes Warmwasser gäbe, und mir ein Lachen eingefangen.
Der Wind blies mir so frisch ins Gesicht, dass meine Augen tränten, aber ich fand es wunderbar. Auch der Seegang, der die Fähre heftig schwanken ließ, störte mich nicht. Ich war an der Nordsee! Ich würde Emma und Benni wiedersehen! Einen besseren Urlaub konnte es nicht geben.
Jetzt kam Nortrum in Sicht. Fasziniert musterte ich die sanften Dünen, den hellen Sand, die niedlichen Reetdachhäuser. Es war alles so anders als in Bayern, und ich liebte es schon jetzt. Natürlich hatte mir Emma nach ihrem Umzug Hunderte von Fotos geschickt. Aber die Insel jetzt in natura zu sehen, war etwas ganz anderes. Nach und nach schälten sich immer mehr Details heraus, stellten sich die Bilder immer schärfer. Schon jetzt konnte ich mich kaum sattsehen an dieser idyllischen Landschaft, auf die ich zuschipperte. Mein Herz schlug plötzlich wie wild und mein Magen kribbelte vor Aufregung. Nortrum strahlte irgendetwas aus, das mich tief bewegte. War hier der Start meines neuen Lebens? Hatte ich irgendeine Vorahnung?
Lachend über mich selbst schüttelte ich den Kopf. Quatsch. Das war sicher nur der Seegang, der mich etwas durcheinanderbrachte. Und die Vorfreude auf das Wiedersehen mit meiner besten Freundin.
Ich hielt Ausschau nach dem angekündigten Pferdefuhrwerk für Koffer und Touristen, sah aber keines. Dafür erkannte ich Emma, die neben einem Lieferwagen stand und mir fröhlich zuwinkte.
Natürlich winkte ich wie wild zurück.
„Endlich bist du da!“ Emma lief mir entgegen, kaum dass ich samt meinem Gepäck von der Fähre stiefelte. Sie nahm mich sofort in den Arm und drückte mich.
Wie gut es tat, sie wiederzusehen!
Und Benni ebenfalls. Der Junge stand neben ihr und strahlte mich an. Sofort wuschelte ich ihm durch die Haare.
„Du bist ja riesig geworden! Füttert man dich hier mit Walfischflossen oder warum bist du gewachsen wie verrückt?“
Er kicherte. „Im Sommer war ich sogar richtig braun. Und ich kann dir sämtliche Vögel aufzählen, die auf Nortrum leben. Soll ich anfangen? Also, da gibt es den Säbelschnäbler, den Knutt, die Uferschnepfe, den Sandläufer, den Austernfischer, den …“
„Um Himmels willen, Benni! Willst du Veronika denn gleich wieder verjagen? Lass sie doch erst einmal ankommen, bevor du ihr dein geballtes Inselwissen um die Ohren haust.“
Benni grinste breit. „Gut, dann halt morgen“, kündigte er an und hüpfte auf einem Bein um mein Gepäck herum. Offenbar spielte er die einbeinige Hafenstelze oder was immer es noch für Vögel gab.
Kopfschüttelnd sah ich ihn an. „Er sieht so glücklich aus“, raunte ich Emma zu. „Das berührt mich richtig.“
Sie nickte. „Ja, er ist auf Nortrum total aufgetaut. Er hat Freunde, ist die meiste Zeit draußen, lacht viel mehr als früher. Der Umzug war ein echtes Glück für ihn. Aber jetzt steig ein, wir fahren zu meiner bescheidenen Hütte!“
Gemeinsam hievten wir mein Gepäck in den Lieferwagen. Er gehörte Jarick, wie Emma mir erklärte. Der war nicht nur der Mann für alles Handwerkliche auf der Insel, sondern auch Emmas große Liebe. Und das, obwohl er es anfangs gehasst hatte, dass sie mit ihrem Laden „Schickes für Vierbeiner“ von München nach Nortrum gezogen war. Emma schneiderte Hundemäntelchen, personalisierte Katzenkissen und überhaupt alles, was das Herz von Tierliebhabern erfreute. Ich war mehr als gespannt, wie ihr Laden jetzt aussah.
Wir tuckerten im gemütlichen Tempo die Küstenstraße entlang. Emma erzählte mir irgendetwas, aber ich konnte mich nur schwer darauf konzentrieren, da mich die Insel mit ihren idyllischen Häusern und der wunderbaren Landschaft so faszinierte. Im Sommer, wenn die Gärten blühten und das Dünengras sich mit frischem Grün schmückte, war es sicher noch farbenfroher. Aber auch jetzt, im Januar, entzückte mich der raue Charme dieser verschlafenen Insel.
Schon aus der Ferne sah ich die Umrisse von zwei Holzfiguren. Beim Näherkommen entpuppten die sich als grinsende Tiere, die den Eingang zu Emmas Geschäft dekorierten.
„Da ist er, dein Laden!“, rief ich aufgeregt und sprang aus dem Wagen, sobald wir anhielten.
Fünf Sekunden später bewunderte ich auch schon die Schaufenster.
„Die Sandburgen aus Stoff für Katzen sind bestimmt ein Verkaufsschlager“, sprudelte ich los. „Und diese Hundekissen mit den Strandkorbmotiven, zuckersüß! Ah, das hier sind die Taschen und Rucksäcke, von denen du erzählt hast. Die du auf Wunsch mit den Namen der Urlauber bestickst. Ein tolles, praktisches Mitbringsel.“
Emma lachte über meine Begeisterung. „Eine Führung durch den Laden bekommst du später. Jetzt trinken wir erst mal einen schönen Friesentee.“
„Mit Kluntjes und Sahne“, ergänzte Benni grinsend. „Ich erklär dir, wie man das macht. Und gewöhn dich daran, dass man hier nicht Servus sagt, sondern Moin. Auch abends.“
„Besserst du dir dein Taschengeld als Fremdenführer auf?“, neckte ich ihn.
„Au ja, das könnte ich machen!“
„Bring ihn bloß nicht auf Ideen“, mahnte Emma und ging voran in das Häuschen, das an den Laden angrenzte. Es war nicht riesig, aber gemütlich eingerichtet, und ich fühlte mich sofort wohl.
Ich packte die Geschenke aus, die ich für die beiden besorgt hatte. Emma bekam das Münchner Rathaus als kleines Keramikhäuschen, in das man eine Kerze stellen konnte, sodass es romantisch leuchtete. Und für Benni hatte ich eine Nachttischlampe gekauft, die die Umrisse von Vögeln an die Wand warf. Natürlich musste er sie sofort ausprobieren und schloss deshalb schwungvoll sämtliche Fensterläden in der Küche. Nachdem wir die Lampe gebührend bewundert hatten, ließen wir wieder Licht ins Zimmer, tranken Tee, aßen Kekse und unterhielten uns angeregt. Benni wurde das Gespräch bald langweilig und er schlüpfte in seine Winterjacke, um draußen Freunde zu treffen.
Emma und ich zogen aufs Sofa um, wo wir es uns gemütlich machten. Ich berichtete von meinen hektischen Tagen in München, in denen ich viel organisiert hatte.
„Dass Liane quasi auf den Job bei mir gewartet hat, ist ein Volltreffer“, schwärmte ich. „Sie ist total motiviert, kommt mit den Teilzeitkräften wunderbar aus und hat mir versichert, dass sie den Laden gut hüten wird, während ich weg bin.“
„Du darfst auch mal Glück haben. Aber was ist mit Viktor, wie geht es mit ihm weiter?“
Ich hob die Schultern. „Gar nicht. Ich habe alle Lieferanten durchtelefoniert und die Unstimmigkeiten geklärt. Jetzt warte ich ab, wie viel Geld er mir überweist. Und hoffe, ihn nie wieder sehen zu müssen. Aber weißt du, Emma, das Leben geht schließlich weiter. Ich bin jetzt hier und habe vor, den Urlaub in vollen Zügen zu genießen, jawohl. Von so etwas lasse ich mich doch nicht runterziehen.“
Fröhlich strahlte ich sie an und wartete auf ein ebenfalls gut gelauntes „Tschaka! Willkommen auf der Gute-Laune-Insel.“
Doch Emma ließ keine einzige Motivationsrede vom Stapel. Ihr Gesicht blieb ernst.
„Veronika, du musst mir nicht vorgaukeln, dass es dir gut geht. Immerhin hast du eine schmerzhafte Trennung zu verkraften. Du darfst auch mal in den Seilen hängen.“
Da war ich anderer Ansicht.
„Hilft doch niemandem, wenn ich wie ein Trauerkloß herumhänge. Und mir selbst hilft es auch, einfach die Lustige zu spielen. Und so zu tun, als hätte ich keine Probleme. Die Traurigkeit kommt schon von ganz allein wieder hoch, keine Sorge.“
Emma legte ihre Hand auf meinen Arm und sah mich mitfühlend an.
Ich versuchte es mit einem Themenwechsel und deutete auf ein Foto, das an der Wand hing.
„Das ist Jarick, gell? Ihr drei seht so glücklich aus. Eine richtig tolle Familie seid ihr.“
Auch wenn ich mich für Emma freute, gab mir das einen kleinen Stich ins Herz. Noch vor einem Jahr waren wir in der gleichen Situation gewesen, sie und ich. Beide Singles, beide in München, beide mit ein paar Träumen im Gepäck. Nun war sie nach Nortrum umgezogen, hatte den Mann ihres Lebens gefunden, lebte ihr Glück. Während ich meine letzte Chance, eine Familie zu gründen, mit Viktor in den Sand gesetzt hatte. Mein Entschluss, mich nie mehr auf einen Mann einzulassen, stand fest.
„Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben“, sagte Emma weich. Offenbar besaß sie noch immer die Gabe, meine Gedanken zu erahnen.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, der Zug ist abgefahren. Ich will der Realität ins Auge schauen, dann gibt es keine Enttäuschungen mehr. Für Männer habe ich einfach kein Händchen, das ist so.“
„Quatsch. Nur weil du mit Viktor danebengegriffen hast! Er hat einfach nicht gepasst.“
„Hat er eigentlich schon. Er war aufmerksam und empathisch. Wir hatten ganz viele Gemeinsamkeiten. Wahrscheinlich würde ich mich wieder in einen Typen wie ihn verlieben. Was ich natürlich nicht tue. Nie wieder.“
Emma seufzte. „Es gibt durchaus Männer, die nicht so durchgeistigt sind wie Viktor und trotzdem Tiefgang haben.“
Ich schnaubte. „Hör mir auf mit seinem Tiefgang! Ich werde zum Jahresende hin ja immer sentimental und lasse mir gern das vergangene Jahr durch den Kopf gehen. Ich denke an all die Begegnungen zurück, an glückliche und traurige Momente. Als ich mit ihm darüber reden wollte, winkte er ab. Weil er keine Zeit dafür hatte.“
„Was musste er denn so Wichtiges tun?“, wollte sie wissen.
„An einer zweistündigen, weltumfassenden Join the whole earth-Meditation teilnehmen, wo er gemeinsam mit der halben Welt ein dämliches Ommm vor sich hin gebrummt hat.“ Ich lachte freudlos.
Emma stöhnte. „Na, Bravo. Frieden für die Welt predigt er, aber deine Wünsche interessieren ihn nicht die Bohne. Was für ein Mistkerl!“
Nachdenklich nickte ich. „Aber das ist nun vorbei. Ab sofort zähle nur noch ich. Ich kann jetzt tun und lassen, was ich will, das ist fantastisch. Niemand wird mich mehr enttäuschen, niemand bei irgendwas stören, ich bin mein eigener Herr und Meister. Und genau hier auf Nortrum, in meiner Ferienwohnung, wird die neue, freie, selbstbestimmte und unfassbar wunderbare Zeit beginnen!“
Emma sah nicht restlos überzeugt aus, widersprach aber nicht, sondern schenkte mir noch eine Tasse Tee ein.
„Den Kopf freipusten wird dir der Inselwind auf jeden Fall“, sagte sie schließlich.
„Genau. Das ist gut so. Prost!“ Ich hob die Tasse und stieß spielerisch mit ihr an.
Sie lächelte warm.
Für einen Moment schloss ich die Augen und lehnte mich an den Sofarücken. Es war die richtige Entscheidung gewesen, hierherzukommen. Auch wenn ich eine lange Anreise hinter mir hatte. Durch einen Zwischenstopp bei einer Cousine in Hannover hatte sich die Fahrt geteilt, aber ihre Schlafcouch war unbequem gewesen, und ich spürte allmählich die Strapazen der Reise. Erneut konnte ich ein Gähnen nicht unterdrücken und hielt mir die Hand vor den Mund.
„Hui, es ist schon vier Uhr“, sagte Emma. „Wird Zeit, dass ich Tante Frauke im Laden ablöse und sie dir deine Bleibe zeigt.“
„Echt praktisch, dass deine Tante Ferienwohnungen vermietet.“
„Im Sommer sind die oft schon weit im Voraus ausgebucht. Aber jetzt im Winter ist es eher ruhig. Sie hat einen Dauermieter, soweit ich weiß. Und die Wohnung bei ihr im Haus ist auch vergeben. Aber das soll sie dir selbst erklären.“
Wir gingen in den Laden, wo Frauke mich sofort herzlich begrüßte. „Wurde Zeit, dass du mal zu uns in den Norden kommst“, sagte sie. „Emma hat schon ganz viel von dir erzählt. Sie sagt, du hast eine Klangschale im Gepäck, stimmt das?“
Sie zwinkerte mir zu.
Lachend nickte ich. „Oh ja. Es ist allerdings keine Klangschale, sondern eine Handpan. Also eine Schüssel aus Metall, die man mit den Händen spielt. Das Ding sieht aus wie ein Ufo.“
„Die will ich dann mal hören! Aber erst zeig ich dir alles, komm mit.“
Wir verließen den Laden und gingen an ein paar reetgedeckten Häusern vorbei, bis Frauke vor einem flachen, modernen Haus stehenblieb. Mir gefielen die alten Inselhäuschen natürlich besser, aber ich war dankbar, so kurzfristig überhaupt noch ein Apartment ergattert zu haben.
„Die linke Tür führt zu deiner Ferienwohnung. Sie ist nicht groß, aber du reist ja alleine. Es ist alles drin, was du brauchst. Du darfst gern selbst aufschließen.“
Lächelnd drückte sie mir den Schlüssel in die Hand. Ich öffnete die Tür, trat ein und war sofort begeistert. Der winzige Flur führte in einen Wohnbereich mit Küchenzeile. Alles war mit viel Liebe dekoriert, blitzsauber und gemütlich. Das Sofa lud zum Lesen und Stricken ein, auf der Herdplatte wartete ein herrlich altmodischer Teekessel auf mich, im benachbarten Schlafzimmer stand ein breites Bett. Ich bewunderte die Landschaftsbilder an der Wand, fuhr mit dem Finger über eine Schale mit Ankermotiven, in der frisches Obst lag, und freute mich über den Ausblick aus dem Wohnzimmerfenster.
„Wenn du dich auf die Zehenspitzen stellst, kannst du vielleicht das Meer sehen.“ Frauke lachte. „Häuser in der allerersten Reihe am Meer sind leider unbezahlbar. Aber es sind nur wenige Schritte, dann bist du am Strand.“
„Es ist herrlich hier.“ Ich drehte mich um die eigene Achse. „Ich werde mich absolut wohlfühlen. Und mich keine einzige Sekunde ärgern. Das ist nämlich mein Plan für diesen Urlaub.“
„Dich nicht zu ärgern?“ Frauke lachte. „Ein sehr guter Plan.“
„Der beste überhaupt. Und so einfach umzusetzen. Nortrum ist herrlich ruhig, da werde ich richtig zur Ruhe kommen. Und Männer gibt es weit und breit auch keine, die mir auf die Nerven gehen können.“ Ich grinste sie an.
„Nun ja“, sagte Frauke gedehnt. „Dann warne ich dich lieber vor. Die Wohnung neben dir ist von einem Mann belegt, er hat sie für mehrere Wochen gemietet, weil er hier arbeitet. Ich hoffe, es stört dich nicht.“
Natürlich ließ ich mir meine gute Laune von so einer Lappalie nicht verderben. „Welchen Beruf hat er denn?“
„Er ist in der Werbung.“
Ah, ein Marketingfuzzi. Das sollte kein Problem darstellen, denn da klapperte höchstens die Computertastatur. Mit diesem Arbeitslärm kam ich locker zurecht, zumal so jemand sicher nur tagsüber am Werkeln war.
„Gar kein Thema. Ich werde viele Spaziergänge unternehmen, bei Emma im Shop vorbeischauen oder endlich mal wieder stricken. Wenn nebenan jemand arbeitet, stört mich das kein bisschen. Immerhin komme ich ja aus der Großstadt.“
Bei mir daheim und auch im Laden klapperten ständig Lastwagen vorbei, oft knatterte ein frisiertes Motorrad über die Straße oder es jodelte ein Martinshorn herum. Ich war da nicht empfindlich. Und abends, wenn ich meine Ruhe haben wollte, würde dieser ominöse Nachbar sicher auch bei Tee und Friesenkeksen sitzen.
Gar kein Problem.
„Sehr gut!“ Frauke wirkte sehr erleichtert. „Dafür gebe ich dir die Wohnung auch zum Freundschaftspreis. Emma soll dir noch dein Gepäck vorbeifahren, danach hast du endlich deine wohl verdiente Ruhe. Ein paar Lebensmittel habe ich dir in den Kühlschrank gepackt, die sind ein kleiner Willkommensgruß.“
„Das ist total lieb von dir, Frauke.“ Ich strahlte sie dankbar an.
„Immer gerne. Mach dir eine schöne Zeit bei uns!“
Sie verabschiedete sich und machte sich auf den Rückweg. Emma kam kurz darauf und brachte meine Koffer vorbei, sie musste aber wieder zurück in den Laden.
Als sie weg war, ließ ich mich erst einmal aufs Sofa fallen. Es war wunderbar hier. Auch wenn es draußen kalt und windig war, öffnete ich das Fenster einen Spalt breit, weil ich die Geräusche der Insel hören wollte. Andächtig lauschte ich, was Nortrum zu erzählen hatte. Die Insel klang völlig anders als die Großstadt und ich mochte ihre Melodie aus Wind, Wellen und dem Kreischen der Möwen.
Ich packte meine Siebensachen aus, schaltete den Teekessel an und nahm meine Stricknadeln aus dem Gepäck. Zusätzlich zu den drei Romanen, die zwischen meinen Pullis im Koffer lagen, hatte ich mir einige Hörbücher aufs Handy geladen. Denen würde ich lauschen, während ich beim Schalstricken endlich einmal die Seele baumeln ließ. Dazu würde ich den Wellen zuhören, die Schreie der Möwen genießen, die salzige Nordseeluft schnuppern.
Auf mich wartete Entspannung pur und die hatte ich mir verdient. Hier auf der Insel gab es keine Männerprobleme, keinen Ärger, keine negativen Erfahrungen, sondern ausschließlich komplett ruhige Tage. Ein wahrer Traum!