Komm nach Möwenitz, verlieb dich im Leuchtturm und verschenk dein Herz an einen flauschigen Vierbeiner!
Ein verträumter Küstenort an der Ostsee mit liebenswerten Bewohnern – das ist Möwenitz. Auf einer idyllischen Landzunge wartet ein Leuchtturm auf Gäste, die in luftiger Höhe ihren Urlaub wollen. So nah am rauen Meer, an Wind, Wolken und Lachmöwen gerät manch einsames Herz in Aufruhr. Denn auch die Liebe spielt in Möwenitz eine große Rolle.
Wer der Liebe auf die Sprünge hilft? Ein winterliches Kaninchen namens Stormy, eine eigensinnige Katze namens Tiki und weitere Liebesboten auf vier Pfoten!
Liebeschaos im Leuchtturm
Männer? Nein Danke! Jessica ist wild entschlossen, Single zu bleiben. Sie hat aber nicht mit der stursten Katze der Welt gerechnet …
Her mit der Schere! Nachdem Jessica zum xten Mal auf einen Kerl reingefallen ist, der sich nur mit ihrem Äußeren schmücken wollte, steht ihr Entschluss fest: Die Blondmähne muss ab, die Kontaktlinsen raus, die Miniröcke weg. Männer können ihr gestohlen bleiben!
Dank einer Freundin landet Jessica in einem einsamen Leuchtturm. Als sie dick eingemummelt am Strand spazieren geht, läuft ihr Arne über den Weg. Sie finden seine Katze Tiki und tauschen Nummern aus. Die Telefonate mit Arne lassen Jessicas Herz schneller schlagen. Er ist einfach wunderbar! Doch Arne verrät ihr, dass er aufgetakelte Frauen nicht mag. Sie, die „Natürlichkeit in Person“, will er aber unbedingt wiedersehen.
Jessica, die bisher immer mit ihrem Aussehen gepunktet hat, gerät in Panik. Ein Date ohne Minirock und Lockenpracht? Was kann sie einem spannenden Mann wie Arne überhaupt bieten?
Katze Tiki verfolgt dazu ganz eigene Pläne …
Romantisch, witzig, zum Träumen und Wohlfühlen. Komm mit nach Möwenitz, verlieb dich im Leuchtturm und verlier dein Herz an einen flauschigen Liebesboten.
In sich abgeschlossen, mit viele Liebe und Humor, ein Wohlfühlroman, der gemütlichen Lesespaß verspricht.
Ab Ende Februar 2024 erhältlich als eBook, Taschenbuch und Hörbuch!
Leseprobe
- Das Date des Grauens
„Fräulein!“, dröhnte es unheilvoll aus der Umkleidekabine. „Sie haben mir bei der Anzugshose die falsche Größe gebracht!“
Hatte ich definitiv nicht.
Der Kunde – eine arrogante Hakennase mit grauen Haaren und ebenso grauem Chefbürogesicht – hatte darauf bestanden, den Armani-Anzug in Größe 52 anzuprobieren. Dabei hatte mein geübtes Herrenmode-Verkäuferinnen-Auge beim Anblick seines Rettungsrings messerscharf kombiniert, dass sein Astralleib mindestens eine 54 benötigte. Doch der Herr hatte es besser gewusst.
Da die oberste Regel hier im Kaufhaus Wenzel allerdings lautete Der Kunde hat immer recht, nahm ich die Schuld wieder einmal auf mich.
„Tut mir sehr leid“, säuselte ich brav. „Ich bringe Ihnen sofort eine andere Hose.“
Ich eilte zum entsprechenden Kleiderständer, zog zwei Hosen heraus und reichte sie ihm durch den Schlitz zwischen Vorhang und Umkleide.
„Bitteschön, mein Herr. Diese hier sollten Ihnen passen, entschuldigen Sie meinen Fehler.“
„Wieso denn nicht gleich so?“, knurrte er. „Heutzutage gibt es nirgends mehr fähiges Personal, ein Drama ist das!“
Wie immer biss ich mir auf die Zunge. Die Klappe zu halten und dem Kunden gegenüber niemals anzudeuten, dass sein eigener Currywurstfriedhof für das Kneifen der Hose verantwortlich sein könnte, hatte ich schon vor Jahren gelernt. Das brachte mein Beruf mit sich.
Wobei ich mit diesem Schlipsträger hier noch Glück hatte, denn er ließ den Vorhang zu. Erst heute Vormittag war einer hier gewesen, der den Sichtschutz für komplett überflüssig gehalten hatte. Beim Anprobieren von Hemden war ich es ja gewöhnt, auf Bürohengst-Oberkörper zu blicken, denen seit Jahren kein Sonnenstrahl begegnet war. Auch blasse Storchenbeine, die aus braven Boxershorts ragten, gehörten zu meinem Alltag. Der Typ heute Vormittag hatte allerdings den Vogel abgeschossen, weil er unbedingt Calvin Klein-Slips anprobieren wollen. Und zwar die in Tangaform, wobei er mich ständig um meine Meinung gebeten hatte.
Bei einer ehrlichen Antwort hätte ich sagen müssen, dass sein flachgesessener Hintern in möglichst weiten Shorts zehnmal besser aufgehoben wäre als zwischen bunten Schnürchen. Aber selbstverständlich lobte ich seine tolle Figur und versicherte, dass diese im superknappen Tanga perfekt zur Geltung käme.
„Wissen Sie, ich gehe auf Geschäftsreise“, hatte er mir verschwörerisch zugeraunt. „Mit meiner neuen Sekretärin.“
Daraufhin hatte ich ihm noch zwei sündhaft teure Seidenpyjamas angedreht und versprochen: „Da schmilzt jede Frau dahin.“ Ich vermutete zwar, dass die Sekretärin eher an der Platincard interessiert war, mit der er bezahlt hatte. Aber konnte mir schnurzegal sein, Hauptsache mein Umsatz stimmte, damit mein Chef nicht wieder herummotzte.
„Das ist nicht das Richtige“, hallte es nun erneut aus der Umkleide. „Ich dachte, Sie sind hier im Wenzel auf höchste Ansprüche eingestellt? Auf mich wirken Sie nicht so, Fräulein.“
„Ich werde mir mehr Mühe geben“, versprach ich und griff eilig zu zwei weiteren Anzügen. „Schlüpfen Sie doch mal in Brioni. Die perfekte Marke für charismatische Führungskräfte wie Sie.“
Sein zustimmendes Brummen verriet mir, dass er sich geschmeichelt fühlte. Immerhin.
Nach fünf weiteren Versuchen hatte er endlich einen anthrazitfarbenen Anzug gefunden, der ihm gefiel. Ich verkaufte ihm dazu zwei Hemden in Hellblau und drei passende Krawatten. Er schob mir an der Kasse seine Karte hin, ohne mich auch nur eine halbe Sekunde lang anzusehen. Wahrscheinlich wäre es ihm nicht mal aufgefallen, wenn ich eine rote Clownsnase und Vampirzähne tragen würde. Aber das war ich gewöhnt. Für viele der Kunden waren wir Verkäuferinnen nur gesichtslose Angestellte, die keinen Blick wert waren.
Manchmal gab ich mich Tagträumen hin und stellte mir vor, von einem dieser Kunden wirklich wahrgenommen zu werden. Oder mehr noch, so behandelt zu werden, als befänden wir uns auf Augenhöhe. Aber das waren Wolkenschlösser, die ich schnell beiseiteschob. Ich bekam an jedem Monatsersten zuverlässig mein Gehalt ausbezahlt und hatte mit Mona eine Kollegin, die zur Freundin geworden war. Mehr durfte jemand wie ich nicht erwarten von einem Job.
Inzwischen war es zwanzig Minuten nach acht Uhr, die Eingangstüren des Kaufhauses hatten sich bereits geschlossen, meine Arbeitszeit war längst vorbei. Ich geleitete den Kunden also hinaus, bedankte mich in aller Ruhe für seinen Einkauf – und flitzte danach wie von der Tarantel gestochen zur Personalumkleide.
Dort warf sich Mona gerade die Tasche über die Schulter.
„Himmel, Jessica, was treibst du denn so lange?“, fragte sie. „Hast du heute nicht ein Date mit Kevin?“
„Genau“, keuchte ich und riss die Tür zu meinem Spind auf, um den Lockenstab herauszuholen. „So ein Businesstyp hat mich ewig aufgehalten. Du weißt schon: Einer von der Sorte, die uns total von oben herab behandeln. Fräulein hier, Fräulein da, ätzend!“
„Kenn ich.“ Mona nickte. „Obwohl die bei mir in der Abteilung selten aufschlagen. Dafür hängen ständig irgendwelche Elektronik-Nerds herum, die mich Löcher in den Bauch fragen und am Ende dann doch online kaufen.“
Mona war wie ich schon viele Jahre im Kaufhaus Wenzel, dem größten Kaufhaus von Hannover angestellt. Da die Abteilung für Herrenmode an die Abteilung für Unterhaltungselektronik angrenzte, konnten wir hin und wieder einen kleinen Tratsch abhalten. Aber wir trafen uns natürlich auch oft außerhalb der Arbeit, um einen bunten Cocktail mit Schirmchen zu schlürfen.
„Ich muss jetzt Gas geben, damit ich rechtzeitig fertig bin. Kevin trifft auf der Party diesen neuen Geschäftsfreund, mit dem er was aufziehen will. Irgendeine große Sache, so genau weiß ich das gar nicht.“
Mona sah mich skeptisch an. „Hängt das mit der geheimnisvollen Reise nach Polen zusammen, für die du Urlaub eingetragen hast.“
„Genau.“ Ich löste die Klammer, mit der ich meine dunkelblonden Haare während der Arbeit immer brav hochsteckte. Unser Chef, Herr Rambowsky, wollte das so, damit ich möglichst seriös rüberkam. Wir nannten ihn Radetzky, nicht ohne Grund, den er blies seinen Angstellten gerne den Marsch. Jetzt rückte ich jedoch der ersten Strähne mit dem Lockenstab zu Leibe, während ich meine Schminksachen aus einem Beutel schüttelte.
„Mona, kannst du mir das Kleid an den Spind hängen? Es ist in der Tüte“, bat ich und trug dramatischen dunklen Lidschatten auf.
„Herrje, das ist ja ultrakurz“, stellte sie fest. „Du wirst der Hingucker sein auf der Party.“
Ich grinste. „Genau das ist der Plan. Schließlich soll Kevin stolz auf seine Freundin sein.“
Vorsichtig wickelte ich die nächste Strähne um den heißen Lockenstab und kramte nach einem blutroten Lippenstift, der farblich mit dem Kleid harmonierte.
Monas Blick lastete schwer auf mir. Ich versuchte, ihn zu ignorieren, aber sie konnte hartnäckig wie ein Terrier sein, der sich in einer Postbotenwade festbiss. „Du bist auch ohne den ganzen Schnickschnack schön“, sagte sie. „Gib dich doch mal natürlich!“
Ihre übliche Predigt.
„Quatsch, da sieht mich keiner an“, widersprach ich. „Ich merke doch, wie mich die Kunden behandeln, wenn ich nur ein nichtssagendes Mäuschen bin. Ich fühle mich einfach viel wohler, wenn ich mich schick zurechtmache.“
Mona blieb skeptisch. „Ja schon. Aber dann gerätst du immer an so doofe Typen, die nur aufs Äußere gehen.“
„Ach was, die entdecken dann schon meine inneren Werte.“
Ich lachte, aber in mir zog sich alles zusammen. So richtige innere Werte besaß ich nämlich nicht. Zumindest keine, mit denen man bei Männern punkten konnte. Klar, ich war halbwegs beliebt, half allen Freunden beim Schleppen von Umzugskartons und hatte ein offenes Ohr für jeden, den Rambowsky mal wieder einen Kopf kürzer gemacht hatte. Ich konnte solide Hausmannskost kochen, drei Arten von Muffins backen und besuchte regelmäßig meine Oma, um mit ihr Mühle zu spielen, wobei ich sie immer gewinnen ließ. So Kram halt. Aber damit lockte man natürlich keinen Mann hinterm Ofen hervor. Das schaffte ich ausschließlich mit meinem Aussehen.
Entschlossen drehte ich die nächste Strähne zu einer weichen Locke und tuschte mir erneut die Wimpern.
Dummerweise hielt Monas Blick mich fest wie ein Schraubstock. „Du weißt, dass das stimmt, oder?“, fragte sie. „Du hast eine Menge innerer Werte und bist für jeden Mann ein toller Fang, selbst wenn du in einem Kartoffelsack herumläufst statt in diesem eng anliegenden Fummel.“
Mein Hals wurde seltsam trocken. Ich räusperte mich, um die Brösel wegzubekommen, die ich plötzlich darin spürte. Dabei hatte ich seit morgens nichts gegessen.
„Ja, natürlich“, behauptete ich und zwang mich zu einem Lächeln. „Ich weiß, dass ich einiges zu bieten habe. Aber mit blonden Locken erkennen das die Jungs trotzdem leichter, die denken nämlich mit den Augen.“
Oder mit einem anderen Körperteil. Für diesen Fall trug ich einen Push-Up.
Ich zwinkerte Mona zu und hoffte, dass sie meine Aussage schluckte. Sie war eine tolle Freundin, auf sie konnte ich immer zählen. Und ich liebte ihre Ehrlichkeit. Aber sie war anders als ich. Schlauer. Talentierter. Tausendmal mutiger. Und mehr Tiefgang hatte sie auch. Kein Wunder, dass sich sogar ein Architekt in sie verliebt hatte, als sie über Weihnachten Urlaub in einem kleinen Leuchtturm an der Ostsee gemacht hatte.
„Du, ich muss los“, sagte Mona jetzt. „Pass auf dich auf, Jessica, okay? Sei vorsichtig mit Kevin und seinen komischen Geschäftchen.“
„Ja, Mama“, neckte ich sie, streckte ihr die Zunge heraus und griff zum Rouge.
„Du verrücktes Huhn!“ Sie lachte und verschwand.
Als sie weg war, senkte sich eine drückende Stille über den Raum. Ihre Worte schienen nachzuhallen und wie Pingpong-Bälle in meinem Kopf herumzuhüpfen. Mist, das konnte ich jetzt überhaupt nicht brauchen, ich musste mich schleunigst fertigmachen!
Eilig schminkte ich mich mit der rechten Hand fertig, während ich mit der linken die letzte Strähne zu einer verführerischen Locke brutzelte. Anschließend zwängte ich mich in das rote Minikleid, stieg in meine Pumps, verstaute die alten Klamotten im Spind und machte mich auf den Weg.
Die Bar, in der die Feier von Kevins Freund stieg, lag fast um die Ecke. Obwohl ich spät dran war und ich unter meinem dünnen Mantel fror, blieb ich an einem Schaufenster hängen, an dem ich vorbeikam. Es war ein Laden für Fotografiebedarf. Von der Kamera in der Auslage träumte ich schon so lange, wie Mandy aus der Kosmetikabteilung von einer Begegnung mit Bradley Coopers Sixpack. Ich wollte wetten, die Leica M11 würde sich in meinen Händen hundertmal besser anfühlen als der Traumbody des Hollywoodstars. Und wie wunderschön sie war in ihrem schlichten, klassischen Design!
Allerdings kostete diese Leica M11 dreimal so viel wie mein klappriger Opel Corsa, also würde sie immer ein Traum bleiben. Und meine gebrauchte Nikon D850 verrichtete gute Dienste. Aber man durfte ja träumen. Und wer weiß, vielleicht scheffelte Kevin mit dieser neuen Geschäftsidee ja so viel Kohle, dass er mir die Leica locker zum Geburtstag schenken konnte.
Beschwingt stöckelte ich weiter. Da ich gleich da sein würde, öffnete ich schon mal meine Mantelknöpfe. Als ich an einem Luxushotel vorbeikam, trat ein Mann aus der Lobby. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Na klar, das war der Typ von vorhin, der mich immer Fräulein genannt und kaum angesehen hatte! Jetzt jedoch fiel sein Blick auf mich und blieb an mir kleben wie eine Fliege am Honigglas. Der Typ straffte umgehend die Schultern, packte sein charmantestes Lächeln aus und sah mich an, als würde er mich gern auf ein Glas Champagner an der Hotelbar einladen.
„Guten Abend, Lady in red“, raunte er mir zu und verlieh seiner Stimme einen sexy Unterton.
Alles klar. Kaum trug ich ein Minikleid, High Heels und blonde Locken, war ich kein gesichtsloser Lakai mehr, sondern eine Lady.
Ich reckte mein Kinn nach oben. „Gute Nacht, Grandpa“, gab ich zurück und stöckelte eilig weiter, wobei ich vor mich hin grinste.
Das würde ich morgen Mona erzählen! Ein erneuter Beweis, dass ich als Frau nur dann wahrgenommen wurde, wenn ich mich nett herausputzte, ätsch.
Nach wenigen Metern hatte ich die Bar erreicht und betrat sie. Ein paar Köpfe fuhren herum, ich lächelte selbstbewusst – und freute mich, als Kevin auf mich zuschritt und seine Arme ausbreitete, um mich zu begrüßen.
„Du siehst rattenscharf aus, Babe“, flüsterte er mir ins Ohr. „In dem Kleid bist du der totale Hingucker. Alle Kerle hier beneiden mich, weil mir so ein Hottie gehört. Schafft schließlich nicht jeder!“
Kevin zwinkerte mir zu und legte den Arm um meine Taille. Ich konnte es nicht leiden, wenn er davon sprach, dass ich ihm gehörte. Ja, wir waren seit fünf Monaten ein Paar, und ich wollte nicht ausschließen, dass es sogar irgendwann richtig ernst wurde mit uns. Aber diese Ausdrucksweise ärgerte mich und das würde ich ihm nach der Party auch sagen.
Jetzt allerdings stellte er mich einigen Freunden vor, drückte mir ein Glas Prosecco in die Hand und ging mit mir schließlich zu einem Tisch, an dem zwei Männer um die fünfzig saßen. Sie hatten ihre Haare nach hinten gegelt, trugen protzige Armbanduhren und teure Anzüge, wie ich sofort erkannte. Doch irgendetwas an ihnen gefiel mir nicht, sie wirkten verschlagen.
„Das sind meine neuen Geschäftsfreunde“, stellte er sie mir vor.
Anschließend gab er mir einen Klaps auf den Hintern. „Und das hier ist Jessy, mein zweitliebster Zeitvertreib nach dem Autofahren.“
„Und dem Autohandeln“, ergänzte einer der schmierigen Gesellen mit hartem Akzent und musterte mich mit unverhohlen lüsternem Blick.
Mir kroch eine Gänsehaut den Rücken hinunter. Kevin war der Sohn eines zwielichtigen Autohändlers und träumte schon lange davon, richtig groß rauszukommen. Wollten diese schrägen Vögel es ihm ermöglichen? Mir stellte sich bei der Vorstellung das gesamte Gefieder auf.
Da einer der beiden offenbar das Geburtstagskind war, setzte ich aber eine freundliche Miene auf und gratulierte ihm. Ich wollte ein wenig Small Talk betreiben, doch Kevin unterbrach mich.
„Babe, wir haben ein paar ernste Sachen zu besprechen. Das ist nichts für dich. Hol mir lieber noch ein Bier.“
Ich starrte ihn an. Ernsthaft? Er schickt mich weg, als wäre ich eine Kellnerin?
Wütend baute ich mich vor ihm auf und holte tief Luft, um ihm mal ordentlich die Meinung zu geigen, doch ich kam nicht zum Reden. Die Herren standen nämlich auf, um in einen Nebenraum zu gehen. Kevin folgte ihnen, ohne auf mich zu achten. „Gut, dann besprechen wir jetzt endlich alles wegen der Polenreise“, sagte er zu einem der Kerle. „Das wird eine tolle Tour mit uns dreien.“
Wie bitte?
Ich machte ein paar schnelle Schritte auf ihn zu und hielt ihn am Ellbogen fest. „Wieso redest du von uns dreien? Was ist denn mit mir?“
Kevin sah mich verständnislos an. „Wieso solltest du mitkommen?“
„Weil wir ein Paar sind! Du hast mir von der Reise erzählt, ich habe extra Urlaub eingetragen. Das habe ich dir doch gesagt!“
Jetzt lachte er einfach los. „Jessy, du plapperst so viel, da höre ich doch nicht immer zu! Das hier ist eine Geschäftsreise und wichtig für mich. Da kann ich dich nicht brauchen.“
„Ach so!“, zischte ich. „Weil ich nicht wichtig bin, oder was?“
Das Lachen verschwand aus seinem Gesicht. Er verengte die Augen und funkelte mich an. „Hör auf, herumzuzicken. Du bist nett anzuschauen und der Sex mit dir ist okay. Aber das war es auch schon. Und jetzt lass mich in Ruhe.“
Er riss seinen Arm los, den ich immer noch festgehalten hatte, und schüttelte ihn, als wollte er eine lästige Spinne loswerden, die hochgekrabbelt war.
Vollkommen erstarrt blieb ich stehen und sah ihm hinterher. Er lachte fröhlich, klopfte einem der Kerle auf die Schulter, drehte sich nicht nach mir um.
Ließ mich einfach hier stehen, als wäre ich ein verdammtes Möbelstück. Oder eben ein achtbeiniges Krabbelmonster, das man vom Ärmel wischte und nicht mehr darüber nachdachte. Dieser Mistkerl! Ich hatte zwar nur zwei Beine, aber die waren durchaus vorzeigbar. Und eine Kommode, die man in einer Ecke übersah, war ich ebenfalls nicht. Oder trugen Kommoden sexy High Heels und mühsam gebrutzelte Locken?
Mein Hals schnürte sich immer enger zusammen. Mein Mund war trocken, mein Blut rauschte in den Ohren.
Ich kannte dieses verfluchte Gefühl, nicht gut genug zu sein, schon seit vielen Jahren. Und erlebte es tagtäglich bei meinen Kunden, die mich ebenfalls nicht wirklich beachteten. Außer als namenloser Laufbursche, um ihnen neue Hosen, Hemden, Sakkos an die Umkleide zu hängen.
Gott, wie ich das satthatte!
Und wie dämlich ich wieder einmal gewesen war.
Nur mit Mühe gelang es mir, Luft in meine Lungen zu pressen. Die Blicke der anderen Gäste, die die kleine Szene mitbekommen hatten, lagen auf mir.
Hektisch sah ich mich um, suchte nach einem Loch im Boden, in das ich versinken konnte, um nach Hause zu krabbeln und mich unter der Daunendecke zu verstecken. Aber nicht der kleinste Spalt war zu sehen. Verflixt!
Ich setzte ein Lächeln auf, das meine Coolness demonstrieren sollte, aber wahrscheinlich schwer verrutscht daherkam. Danach warf ich die Haare zurück, reckte das Kinn selbstbewusst nach oben und wollte so tun, als wäre nichts passiert. Krone richten und so. Blöderweise hatte mein hocherhobenes Prinzessinnenhaupt zur Folge, dass ich nicht auf den Boden sah, mit meinen Stilettos an einer Bodendiele hängenblieb – und direkt in eine Gruppe Kerle krachte. Einer fing mich im letzten Moment auf, wobei er völlig zufällig seine Hände gegen meine Brüste presste.
„Da hat aber jemand Temperament, das mag ich“, säuselte er mit einem schmierigen Grinsen. „Und auch noch andere Vorzüge.“ Er starrte mir ungeniert ins Dekolleté, kaum dass ich mich aufgerappelt hatte.
„Blödmann“, fauchte ich, riss mich los und rannte aus der Bar.
Heiße Tränen drängten nach oben, und es gelang mir leider nicht, alle hinunterzuschlucken. Ich eilte den Gehweg entlang, sah nicht nach rechts und links, fluchte nur ununterbrochen vor mich hin. „Ihr verdammten Bastarde, ich habe euch alle so satt!“, schimpfte ich. „Ihr sollt allesamt die Windpocken kriegen, dazu Haarausfall, Hühneraugen und Sackflöhe. Ja, Horden von Sackflöhen wünsche ich euch!“
Ich hatte zwar keine Ahnung, ob es solche Tiere wirklich gab, aber egal. Männer waren einfach das Letzte! Zumindest die, die mir über den Weg liefen. Immer wieder fiel ich auf Idioten herein. Und wieso? Weil ich einfach null Menschenkenntnis hatte. Und den schlechtesten Männergeschmack der Welt.
Meine Gedanken purzelten wild durcheinander, während ich heimlief. Ich hatte Blasen an den Fersen, denn die High Heels waren nicht für lange Spaziergänge gedacht, aber das Gehen half mir, vieles klarer zu sehen.
Als ich endlich daheim angekommen war, kickte ich die Schuhe von den Füßen, schlüpfte aus dem Kleid und warf den Push-up-BH über einen Stuhl. Ich zog mir eine ausgeleierte Jogginghose und einen alten Pulli an, fummelte mir die Kontaktlinsen aus den Augen und fiel aufs Sofa. Ich fühlte mich, als hätte mich ein Lastwagen überfahren.
Verdammt, wieso lief immer alles so schief bei mir? Das hatte ich doch gar nicht verdient!
Ich musste mit jemandem reden. Mit Mona. Schwerfällig stand ich auf, um mein Handy zu holen.
„Ich hasse alle Männer“, sagte ich, kaum dass sie sich gemeldet hatte.
„Ach, Jessica, was ist denn los?“ Monas Stimme war warm und weich, es tat gut, sie zu hören.
„Ich bin wieder einmal total blöd gewesen“, schimpfte ich über mich selbst und erzählte von dem Abend, während ich in meiner kleinen Wohnung auf und ab tigerte.
„Kevin hatte also nie geplant, dich zu dieser Reise mitzunehmen?“, fragte Mona.
„Richtig. Weil ich für ihn nur eine nette Deko bin. Oh Mann, ich habe diese verdammten Kerle so satt! Immer reduzieren die mich nur auf mein Äußeres!“
„Na jaaa“, sagte Mona langgezogen. „Ein klein wenig bist du aber auch selber schuld. Immerhin takelst du dich immer auf wie verrückt.“
„Aber ich …“, begann ich, hielt aber inne.
Bei meiner Wohnungswanderung war ich beim Spiegel im Flur angekommen. Ich musterte mich. Sah mich mit einem Mal an wie eine Fremde. Meine Lippen waren noch immer knallrot, die Augen dramatisch geschminkt, die Haare mühsam zu Locken gedreht.
Ja, ich war ein Hingucker. Aber für wen? Für den nächsten Idioten, der mich als sein Hottie titulierte?
Ich wollte das alles nicht mehr: Diese Hoffnung, die immer wieder zerstört wird. Die Enttäuschung, das gebrochene Herz. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein.
Ich wollte generell keinen Typen mehr in meinem Leben!
„Du hast total recht, Mona“, sagte ich.
Meine Stimme klingt plötzlich ganz anders, fiel mir auf. Tiefer. Ernsthafter. Und wild entschlossen.
„Und ich fange gleich mit der Veränderung an“, sagte ich, drehte mich vom Spiegel weg und ging in die Küche. Dort riss ich eine Schublade auf, und da lag sie, meine Eintrittskarte in ein besseres Leben: eine große, leicht angerostete Küchenschere.